Nach langer Corona-Pause: Reality TV live am Ricarda mit der Frage: Wie gehen Big Brother und ähnliche TV-Shows mit uns Zuschauern, aber auch mit den Teilnehmenden der Shows um?

Das Stück „ALONE@HOME“, das der WPII-Theaterkurs des neunten Jahrgangs am 20.6.2022 in der Aula des Ricarda aufführte, beschreibt, wie in der gleichnamigen amerikanischen TV-Show eine Gruppe Teenager in ein Haus einzieht und rund um die Uhr von Kameras überwacht wird. In der aktuellen Staffel handelt es sich um eine Gruppe von Mädchen im Alter von 12-14 Jahren.

Es wird gezeigt, wie sie, beobachtet von Millionen von Zuschauern, ihren Alltag meistern, ständig unterbrochen von nervtötenden Jingles, Einspielern, Gewinnspielen und Werbespots, und dabei versuchen, mit sich selbst und den anderen klarzukommen. Was die Mädchen nicht ahnen: Die Produktionsfirma hat einen als Mädchen verkleideten Jungen eingeschleust, der durch manipulative Agitation für Unruhe sorgen soll.

Eine der Jugendlichen gerät unterdessen zum Mobbing-Opfer, während wir uns zunächst noch über die Geschehnisse amüsieren, wird jemand am Ende den Not-Buzzer drücken?

Der Zustand der Herabwürdigung von handelnd kommunizierenden Menschen zu bloßen Versuchskaninchen und Werbeträgern in solchen Fernsehformaten ist uns allen seit mehr als 20 Jahren hinlänglich bekannt, während der Theateraufführung erfahren ihn aber die Zuschauer, die hier nicht mal schnell umschalten können, schmerzlich am eigenen Leib, viele stöhnen auf oder schimpfen sogar laut bei jeder neuen Werbepause oder Attacke!

Zu den Figuren des Stücks gehören auf der einen Seite zwei aalglatte, übertrieben euphorisch agierende Moderatoren (verkörpert von Duha und Mohammad), auf der anderen fünf naive, junge Mädchen, die große Erwartungen an ihre Zeit im Haus hegen (gespielt von Sudenaz, Selin, Feyza, Ashley, Melissa, Nisa, Sahra), und der als Mädchen verkleidete Störenfried (Elias).

 

Das Theaterstück zeigt, wie durch Manipulation von außen und den medialen Druck eine Atmosphäre von Misstrauen, Streit und Zank zwischen den Mädchen entsteht. Am Ende zeigt sich, dass die Hausbewohnerinnen der Manipulation kaum etwas entgegensetzen konnten. Wie in Schockstarre und neben sich stehend wiederholen die Teenager im Schlussbild eingeschüchtert ihre (nun gar nicht mehr so enthusiastischen) Eingangsstatements. Die Zuschauenden werden nicht zuletzt durch diese Rückführung auf den Einstieg des Stücks (Rahmentechnik) aufgerüttelt, sich das schockierende Ausmaß der medialen Beeinflussung von uns allen zu vergegenwärtigen.  

Bühnentechnisch spiegelte sich diese Innen-Außen-Zweiteilung in einer Zweiteilung der Spielfläche auf der Bühne, zugleich wurde das Bühnengeschehen auf vielfältige Weise durch digitale Einspielungen verschiedenster Art ergänzt. Durch diese Anlage des Stückes wurde es möglich, einerseits den Kreis der Schauspielenden zu erweitern: Mütter wurden zu Verkaufsberaterinnen, Schulfreundinnen zu Produkttesterinnen, Geschwister zu enttäuschten Konsumenten, andererseits, das komplexe Beziehungsgefüge zwischen der Ebene des „wirklichen“ Lebens und seiner medialen „Ausschlachtung“ direkt erlebbar zu machen.

Diese technisch anspruchsvolle Umsetzung des Theaterstückes als eine Reality-Show konnte nur durch die versierte Unterstützung der Technik-AG (Jannis, Manaf, Christian und Viktor) gelingen, wofür ihr an dieser Stelle nochmals herzlich gedankt sei!

Ebenso sollte an dieser Stelle die schauspielerische Leistung aller Beteiligten hervorgehoben werden, eine Leistung, die vor allem auch durch die künstlerische und theaterpädagogische Anleitung ihrer Lehrerin, Frau Steilmann, ermöglicht wurde.