Das Projekt "Mathe sicher können" der TU-Dortmund und unser Selbstverständnis als innovative Schule

Dass in Nach-Corona-Zeiten die Herausforderungen für Schule und Unterricht nicht schnell wieder kleiner werden würden, ist sicherlich allen klar gewesen, die mit Bildung zu tun haben. Vorherigen Diskussionen und anderslautenden Behauptungen zum Trotz durften wir in Corona-Zeiten deutlich feststellen: in der Schule und mit echten Lehrern im gleichen Raum lernt es sich doch besser als am Bildschirm, im Wohnzimmer oder in Eigenregie. Auch KI kann ausgebildetes Lehrpersonal ganz offensichtlich nicht ersetzen.

Die neuesten Bildungsstudien (Ergebnisse der PISA-Studie 2022 und IQB) machen bei genauerem Blick darüber hinaus aber auch deutlich, dass es bei Weitem nicht genügt, den aktuell sich offenbarenden schulischen Problemlagen allein mit mehr Personal und Unterricht in der Schule entgegenzutreten – zu groß haben sich Bildungsgräben und Bildungslücken aufgetan in den vergangenen Jahren, die aktuellen Bildungsergebnisse sind weitaus bedenklicher, als die der ersten PISA-Studie im Jahr 2000, durch die der sogenannte PISA-Schock ausgelöst wurde (KMK zu den Ergebnissen der PISA-Studie 2022 und den daraus fließenden Schlüssen).

Artikel zur allgemeinen Situation und dem mathematischen Neuansatz am RHG aus Der Spiegel (Nr. 48/25.11.2023) und aus der WAZ (7.12.2023)

Seit längerem sind sich Schulleitung und Lehrerschaft des Ricarda-Huch-Gymnasiums in diesem Zusammenhang bewusst, dass im Umgang mit den wachsenden Herausforderungen eine standardisiert angelegte Diagnostik grundlegender Kompetenzen dringend Not tut, weshalb bereits Anfang 2023 nach Wegen gesucht wurde, die sich zeigenden, schulformübergreifenden Negativtendenzen genauer in den Blick zu nehmen. Dafür wurden im Kollegium einerseits Studien und Fachliteratur gewälzt, andererseits ließen sich Lehrer:innen des RHG Anfang 2023 an eine Grundschule abordnen. Das wurde wichtig, um die Lage vor Ort selbst erleben und im Austausch Ansätze entwickeln zu können, wie Schüler:innen insbesondere in den Kernfächern Deutsch und Mathematik im Wechsel von der Grundschule ans Gymnasium dabei unterstützt werden können, sich zeigende Lücken in Basiskompetenzen so aufzuarbeiten, dass ihnen ein Anschluss an gymnasiale Anforderungen möglich wird.

Dass sich die Entwicklung neuer und zielführender Unterrichts-Konzepte unbedingt auf Erkenntnisse und Beiträge von Seiten der (Fach-)Wissenschaft beziehen und stützen muss, die ihrerseits vor Ort Praxis und tatsächlich emergierende Bedarfe in Augenschein nimmt, versteht sich von selbst. So ist es ein Glücksfall für unsere Schule, dass wir in Zusammenarbeit mit der LASI (Landesstelle Schulische Integration) seit längerem Teil von BISS-Transfer sind und dass unser Fachbereich Mathematik sehr eng mit zwei Universitäten kooperiert, in denen eine innovativ gedachte Fachdidaktik Mathematik einen deutlichen Fokus nicht nur auf die fachlichen Inhalte, sondern auch auf die sprachlichen Herausforderungen durch dieselben legt, denn alles schulische Lernen braucht als Basis eine angemessene Kompetenz in der Bildungssprache Deutsch.

Ausgehend von der TU Dortmund wurde von einem großen Mathematikdidaktik-Team unter Leitung von Prof. Dr. Susanne Prediger "Mathe sicher können" als "lernprozessfokussierende fachdidaktische Entwicklungsforschung"1 im Übergang zwischen Primar- und Sekundarstufe angedacht und entwickelt. Besonders ist in diesem Projekt der durchgehende Bezug der Phasen "Materialentwicklung für die Praxis" und "Erprobung in der Praxis" aufeinander: "Die konsequente Verzahnung von Forschung und Entwicklung schafft die Grundlage dafür, dass auf der einen Seite fachdidaktisch fundierte, in der Praxis konkret einsetzbare Produkte [Arbeitsmaterialien] entstehen und dass auf der anderen Seite grundlegende empirische Einsichten in die initiierten Lehr-Lernprozesse und ihre typischen Verläufe, Hürden, Bedingungen und Wirkungsweisen erworben werden"2. Die auf diesem Wege gewonnenen didaktischen Erkenntnisse und entwickelten Unterrichtsmaterialien entfalten in der schulischen Lehrpraxis eine hohe Wirksamkeit.3

Seit letztem Frühjahr ist das Ricarda als Pilotschule aktiv in diesen Austausch zwischen Wissenschaft und schulischer Praxis involviert. Geschult und unterstützt wird das Team unserer Mathematiklehrer von den Teams von Prof. Dr. Susanne Prediger (TU-Dortmund, siehe auch älteren Artikel) und Prof. Dr. Birte Friedrich (Uni Potsdam). In einem aktuellen und hier aufrufbaren Podcast äußert sich Prof. Prediger des Weiteren zum Thema Sprache und Mathematik (hr-Info "Zwei mal drei macht vier", insb. ab Min. 11).

Auch Kolleginnen aus der Fachschaft Deutsch arbeiten aktuell auf Grundlage wissenschaftlich entwickelter Verfahren an neuen Herangehensweisen, die unsere Schüler:innen im Sinne des „Anschlüsse Schaffen“ dabei unterstützen, eine bessere Sprachkompetenz, vor allem aber auch ein größeres Reflexionsbewusstsein für Lernprozesse, die in und mit Sprache stattfinden, zu entwickeln.

1 https://mathe-sicher-koennen.dzlm.de/projektinfos/forschungsbasierung/entwicklungsforschung

2 a.a.O.

3 https://mathe-sicher-koennen.dzlm.de/projektinfos/forschungsbasierung/wirksamkeitsnachweis